Wie schon bei der letzten
Kata geht es hier darum, den eigenen Fotoprozess zu entschleunigen und
so bewusster den Bildaufbau zu steuern. Und wieder ziehe ich dazu eine
kleine Lernhilfe (vormals auch Krücke genannt) heran: Diesmal den
Lichtschacht.
Jeder
kennt sicher das Bild vom Fotografen im 19. Jahrhundert, der sich ein
schwarzes Tuch über den Kopf warf, um das umgekehrte und seitenverkehrte
Bild auf einer Mattscheibe betrachten zu können. Die Erfindung des
Lichtschachts war da ein echter Fortschritt. Das Bild wurde über einen
Spiegel nach oben geleitet. So hatte man von oben Einblick und hinten
dauerhaft Platz für den Film. Damit das Umgebungslicht nicht stört,
wurde die Mattscheibe an allen vier Seiten durch Blenden abgeschattet -
der so genannte Lichtschacht. Heute noch bei Ebay erhältliche Kameras,
die solch einen Lichtschacht besitzen, sind z.B. die zweiäugigen Yashika
124, Mamiya 645 oder Rolleiflex. Oder als einäugige Varianten mit
Klappspiegel: Mamiya RB67 oder Hasselblad 500 (nach Einstiegspreisen
sortiert).
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Nikon D750, 1/100, f/3,2, ISO 100, 50 mm © T. Cremer |
Zwei Dinge
sind für uns jetzt interessant. Zum einen...
...verändert sich der
Blickwinkel. Naturgemäß nimmt die Kamera eine niedrigere Position ein,
wenn man von oben in sie hineinguckt. Zum anderen besitzen alle obigen
Kamerast, bis auf die Mamiya 645, ein quadratisches Bildformat. Und auch
dieses Bildformat (1:1) wollen wir nutzen, um mit unseren angewöhnten
Sehgewohnheiten zu brechen.
Technisch haben wir nun drei Möglichkeiten, um an eine Kamera zu kommen, mit der wir die Kata ausprobieren können:
- Unserem G.A.S (Gear
Acquisition Syndrom) nachgeben und uns eine analoge Mittelformat-Kamera
bei Ebay schießen. Macht Sinn, wenn man:
- das Fotografieren mit Film liebt (wohl der beste Grund)
- noch Platz in einer Vitrine hat
- sowieso nicht weiß, wohin mit seinem Geld
- Wenn du eine Kamera mit Klappbildschirm hast, dann bastle dir einen Lichtschacht selbst (siehe unten).
- Wenn 1. und 2. nicht
zutrifft, dann verzichte auf den Lichtschacht und reduziere die Übung
auf das quadratische Format (näheres folgt).
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Der auf dem Monitor aufgesetzte 'Lichtschacht' wurde mit Klebeband fixiert © T. Cremer |
Ich
persönlich habe mich für Lösung 2 entschieden (auch wenn 1 immer noch an
mir zerrt...). Aus 4 alten Kredit- und Kundenkarten und etwas schwarzem
Klebeband habe ich mir einen Lichtschacht gebastelt und an der Kamera
befestigt. Zusätzlich habe ich mir eine Schablone aus Pappe geschnitten,
die in den Lichtschacht passt und den rechteckigen Monitor so abdeckt,
dass ein quadratisches Bild übrig bleibt. Den letzten Schritt kann man
auch realisieren, wenn man keinen Klappbildschirm besitzt. Zu der ganzen
Aufgabe passt meines Erachtens ganz wunderbar eine Normalbrennweite
(4/3rd: 25 mm; APS-C/DX: 35 mm; KB: 50 mm; Mittelformat 6x6: 80 mm).
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Blick in den Lichtschacht mit Maskierung © T. Cremer |
Das
quadratische Format ist im Sinne der Bildgestaltung eine
Herausforderung, da es vollständig symmetrisch ist. Von daher ist es
sehr spannend mit einer derart präparierten Kamera auf die Pirsch zu
gehen. Die niedrige Perspektive und die ungewohnte Handhabung tragen ihr
Übriges dazu bei, aus dem gewohnten Knipsen eine besondere Erfahrung zu
machen. Hinzu kommt, dass bei meiner Kamera der Autofokus im LiveView
so - ähm, wie sage ich es mal - so mittel ist. Das heißt, auch das
Fokusieren wird zu einem sehr bewussten (ggf. sogar manuellen) Vorgang.
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Nikon D750, 1/100, f/3,2, ISO 100, 50 mm © T. Cremer |
Ich hoffe, die Übung macht dir Spaß. Vielleicht berichtest du mal. Bis dahin alles Gute.
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"Jede Kata im Karate vermittelt einen spezifischen, charakteristischen Kampfstil" (Wikipedia). Die Idee des Übens von charakteristischen Stilelementen will ich hier aufgreifen. Wie beim Karate der Kampfstil verinnerlicht werden soll, um ihn im Kampf abrufen zu können, soll die Foto-Kata dazu dienen die verschiedenen Stilmittel zu üben, um sie beim Shooting verlässlich einsetzen zu können.
Normalerweise startet man als Fotograf bei einem Motiv oder auch mal bei einer Stimmung und endet bei einem oder mehreren Stilmitteln. Bei den Foto-Katas gehen wir umgekehrt vor: Wir starten jeweils bei einem Stilmittel und suchen uns dazu ein Motiv.
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