Samstag, 2. Januar 2016

Kata Nr. 6: Echte Vignette (Entschleunigung Teil 1)

Da hat man so viel über Bildaufbau und Linienführung gelesen (und vielleicht auch schon gelernt) - und dann hält man in den meisten Fällen doch einfach drauf. Schließlich kann man zu Hause am Bildschirm ja noch das Meiste richten. - Wer kennt das nicht.

Sicher, oft hat man keine Zeit oder die Ereignisse sind so dynamisch, dass es gar nicht anders geht. Aber mit dem schnellen digitalen Workflow, bei dem so viel im Nachhinein noch korrigiert wird, gewöhnt man sich doch allzu schnell eine eher nachlässige Art zu fotografieren an.  Dem möchte ich in der aktuellen Kata entgegenwirken. Ziel ist es den eigenen fotografischen Prozess zu entschleunigen und sich selbst zu mehr Sorgfalt anzuhalten.

Nikon D750, 1/125, f/8, ISO 400, DX/35 mm © T. Cremer

Eines der elementarsten gestalterischen Mittel in der Fotografie ist der Bildausschnitt. Aber gerade dieser ist im Nachhinein so leicht zu korrigieren (zumindest was das Verkleinern angeht). Und davon wird auch ausgiebig Gebrauch gemacht. Hier ein wenig vom Rand wegschneiden...

...da das Verhältnis von Breite zu Höhe ändern. Oder doch lieber Hochkant, statt Querformat. Dabei will ich gar nicht bestreiten, dass das mitunter seine Berechtigung hat - aber machen wir uns die Bildbeurteilung vor Ort deswegen auch nicht manchmal ein wenig leicht?

Um dieser Leichtfertigkeit ein wenig entgegen zu treten, bediene ich mich einer kleinen Krücke (man könnte auch etwas wertfreier 'Trick' dazu sagen): Die echte Vignette. Während sich die 'unechte' Vignette in diversen Bildbearbeitungsprogrammen großer Beliebtheit erfreut, versuchen wir einer echten Vignette, auch als Randabschattung bezeichnet, in der Regel bereits beim Objektivkauf aus dem Weg zu gehen.

Nikon D750, 1/60, f/6,3, ISO 400, DX/35 mm © T. Cremer

In diesem kleinen Projekt möchte ich der Kamera eine echte Vignette aufzwingen (dazu später mehr), was dazu führt, dass alle Bilder dieser Serie einen Rahmen in Form der besagten Randabschattung erhalten. In der Konsequenz lassen sich diese Bilder nicht mehr nachträglich beschneiden oder ausrichten, ohne dass sie dadurch aus der Serie herausfallen. (Wer willensstark genug ist, kann natürlich auch auf diese Krücke verzichten, aber dann fehlt ihm im Nachhinein der Beweis für seinen Erfolg ;-) )

Es ist absolut erstaunlich, wie leicht man sich mit diesem einfachen Trick dazu bewegen kann, höchst sorgfältig den Bildausschnitt zu bestimmen. Und ebenso erstaunlich ist es, wie wenig man auf die nachträglichen Korrekturen angewiesen ist, wenn man von Anfang an sorgfältig arbeitet. Darüber hinaus ist die Vignette selbst natürlich ein eigenes Gestaltungsmittel. Dementsprechend sollte der Inhalt und die weitere Form dahingehend abgestimmt sein, um eine entsprechend stimmige Serie zu schaffen.
 
Nikon D750, 1/500, f/1,8, ISO 400, DX/35 mm © T. Cremer

Nun zur technischen Umsetzung: Die einfachste und billigste Art solch eine Vignette zu erzeugen ist ein Streifen schwarze Pappe, den man wie eine Sonnenblende mit Klebeband vor dem Objektiv befestigt. Dabei ist eine Festbrennweite zu bevorzugen, sonst verändert sich die Vignette über den Zoombereich. Aus dem gleichen Grund solltest du darauf achten, dass die Pappe gut befestigt ist. Nur so bleibt der Seriencharakter erhalten. Wie weit der Karton über das Objektiv herausragen muss, hängt vor allem von der verwendeten Brennweite ab. Am Besten ein paar Probeaufnahmen machen, so kannst du ganz leicht feststellen, wie viel Abschattung du im Bild haben möchtest.

Nikon D750, 1/60, f/6,3, ISO 800, DX/35 mm © T. Cremer
Wer eine Vollformatkamera besitzt und noch Objektive für den APS-C-Sensor (bei Nikon mit DX gekennzeichnet) in der Schublade liegen hat, kommt ohne Bastelei aus. Wie stark dabei die jeweilige Vignette ist, hängt dabei vom verwendeten Objektiv und der eingestellten Blende ab. Je offener die Blende, desto größer ist hier die Abschattung.

Ansonsten bleibt mir nur zu sagen: Viel Spaß.


"Jede Kata im Karate vermittelt einen spezifischen, charakteristischen Kampfstil" (Wikipedia). Die Idee des Übens von charakteristischen Stilelementen will ich hier aufgreifen. Wie beim Karate der Kampfstil verinnerlicht werden soll, um ihn im Kampf abrufen zu können, soll die Foto-Kata dazu dienen die verschiedenen Stilmittel zu üben, um sie beim Shooting verlässlich einsetzen zu können. 

Normalerweise startet man als Fotograf bei einem Motiv oder auch mal bei einer Stimmung und endet bei einem oder mehreren Stilmitteln. Bei den Foto-Katas gehen wir umgekehrt vor: Wir starten jeweils bei einem Stilmittel und suchen uns dazu ein Motiv.




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